Pädagogischer Bilderbogen von 1904 bis 1960
Leider bleibt der Anfang im Dunkeln. So schreibt Christian Bartels, der Gründer unserer Einrichtung, 1927 an die Erziehungsanstalten des Katholischen Erziehungsvereins in Paderborn zwar rückblickend: „Diese Wahrnehmung war mitbestimmend dafür, daß 1904 das zweite kath. Fürsorgeheim nach Warburg kam wegen der dortigen Landwirtschaftlichen Schule und des guten Gymnasiums.“, doch erst später „richtet Christian Bartels eine >Normalschule< ein und eine dreiklassige Hilfsschule, die erste in einem preußischen Fürsorgeheim. Ein Lehrer und zwei Schwestern erteilen den Unterricht.“(1) Das genaue Datum ist nicht bekannt. Direktor Stadler gibt in einem Bericht des Verbandes der Hilfsschulen Westfalens 1914 weitere Auskünfte: „…. Von den 220 schulpflichtigen Zöglingen der Anstalt sind ungefähr 2/3 zurzeit Schwachbegabte, bzw. Psychopathen. 1/3 unserer schulpflichtigen Zöglinge sind Normalschüler. Den Unterricht für Psychopathen leiten in drei Pflegeklassen 3 Ordensschwestern, den Unterricht für Schwachbegabte in 2 Hilfsschulklassen 2 weltliche Lehrkräfte, zurzeit Lehrer Wille und ab kommenden Monats Schulamtsbewerber Klarholt.“ Schulmeister Heinrich Wille unterrichtete von 1909 bis 1953 an der Schule des Fürsorgevereins und starb 1980 im hohen Alter in Warburg. Von ihm wurde manche Episode aus der damaligen Zeit der Schule dokumentiert. Eine soll hier stellvertretend für die vielen anderen stehen: Schwimmen gehörte damals wie heute zu den Sommervergnügen, allerdings nur für die Schüler. Folgende Anekdote ist später oft kolportiert worden. Der begleitende Lehrer zog nachmittags 14.30 Uhr mit 100 bis 130 Kindern zum Schwimmbad. Das war allerdings an der Diemel bei Faupels Mühle. Dort übergab der begleitende Lehrer die Schüler der Aufsicht des Bademeisters Möllenkamp. Da er sich selbst nicht abkühlen konnte (als Nichtschwimmer und zusätzliche Badeaufsicht), schwante ihm jeweils Böses für das Ende des Badens. Da mußten z.B. die vielen Paare Schuhe der kleinsten Badegäste einzeln zugeschnürt werden, und zum zweiten drohte ihm der schweißtreibende Rückweg den steilen Burggraben hinauf bis zum Damianeum, ein besonderes Vergnügen für den freien Nachmittag nach dem Unterricht am Morgen (nacherzählt von seinem Sohn, Realschuldirektor C. Wille, aufgrund mehrfacher Schilderungen seines 1980 verstorbenen Vaters).
Auch in Schule und Fürsorgeheim gab es keinen Schutz vor der braunen Pest, wie uns die Schulverzeichnisse dieser Jahre zeigen. 1939 begonnen, fein säuberlich nach Jungen und Mädchen getrennt, und erst 1953 (Mädchen erst 1957) in dieser Form eingestellt, listen sie Daten und Familienverhältnisse auf, ein Spiegelbild der damaligen Zeit. 2390 Einträge (1470 Jungen und 920 Mädchen) geben Zeugnis über Schüler und Schicksale.
Bedrückend sind Eintragungen folgender Art, und sie sind nicht selten:
Mutter und Stiefvater wegen Schwachsinn sterilisiert — Hilfsschüler — schwachbegabt — schwachsinnig –– Psychopath — dem Johannisstift Marsberg überwiesen.
Besonders viele „Überweisungen“ gab es am 09.12.1940.
Den Wechsel von Zeiten und Ideologien kann man den Eintragungen ebenfalls entnehmen: KRIEGSENDE (*17.05.1945 nach Hause abgeholt)
BESATZUNGSZEIT
(* von der Militärregierung gebracht / * Besatzungstruppen sind nachts bei der Mutter in der Wohnung)
VERSORGUNGSSCHWIERIGKEITEN
(*Junge entwendete für 68 Pfund Zuckermarken / *Vater im Gefängnis wegen Getreidediebstahls) ––
NEUORDNUNG
(*Flüchtlingsfamilie / *Ostzone). Wiederaufbau, Arbeit, politische Strukturen, Fress-, Möbel- und Reisewelle waren Merkmale eines neuen Lebensgefühls. Die Probleme, die sich daraus für manche Eltern und ihre Kinder ergaben, brachten ein neues Modewort ins Schülerverzeichnis: Erziehungsschwierigkeiten.
(1) Hermann Multhaupt; Ein Leben für die gefährdete Jugend, Christian Bartels (Textauszug)
Von der „Katholischen Schule im Fürsorgeheim“ zur „Petrus-Damian-Schule, Schule für Erziehungshilfe“
Im Jahre 1941 lebten im alten Damianeum (Schule und Fürsorgeheim waren im heutigen Schulgebäude an der Landfurt untergebracht) 190 männliche und 81 weibliche „Insassen“, von denen 29 unter 6 Jahre und 6 über 18 Jahre alt waren. Für die Schüler unter ihnen wurden vier Jungen- und 2 Mädchenklassen gebildet (Koedukation war noch eine sehr gefährliche Konstellation) und Zahlen von über 40 Schülern in einer Klasse waren keine Seltenheit.1961 wurden 49 Mädchen und 135 Jungen „beschult“ und erstmals gab es zwei Klassen, in denen koedukativ unterrichtet wurde:
Klasse I |
Klasse II |
Klasse III |
Klasse IV |
Klasse V |
Jahrgang 1-2 |
Jahrgang 2-3 |
Jahrgang 3-4 |
Jahrgang 4-8 |
Jahrgang 5-8 |
40 Jungen/Mädchen |
31 Jungen/Mädchen |
43 Jungen |
26 Mädchen |
44 Jungen |
1960 wurde der Antrag auf Anerkennung der Heimschule als Sonderschule gestellt und nach erfolgter Anerkennung 1962 wurde aus der „Kath.„Volksschule St. Damian, Schule für Schwererziehbare und Hilfsschüler“ die „private„ Heimschule für Erziehungshilfe (Ersatzsonderschule)“. Das hatte auch zur Folge, dass alle Lehrer „ … die Lehrbefähigung für Lehrer an Sonderformen der Volksschule (Hilfsschullehrerprüfung) nachweisen bzw. erwerben ..“ mussten.
Waren bisher alle Schüler auch Bewohner des Jugenddorfes, stellte sich mit der Aufnahme der ersten beiden externen Schüler 1978/79 die Frage nach der Öffnung der Schule nach außen.
In den letzten 20 Jahren machte eine sich ständig in Qualität und Quantität wandelnde Schülerschaft auch für die Schule einen Wandel und eine Erweiterung der Schulstruktur notwendig.
1981/82 ging der langjährige Rektor Heinrich Atteln in den Ruhestand und Peter Greiner als Rektor und Franz-Josef Kohlbrock als Konrektor übernahmen die Schulleitung. War in der ersten Hälfte der achtziger Jahre eine sinkende Schülerzahl bei Ansteigen des Durchschnittsalters der Schüler zu beobachten (1985 nur 86 Schüler/Schülerinnen – Durchschnittsalter 14,5 Jahre), entwickelte sich dieser Trend ab 1985 wieder in die andere Richtung und erreichte 1993/94 mit 144 Kindern/Jugendlichen einen bisherigen Höchststand. Das Durchschnittsalter sank wieder und der Zugang der jüngeren Primarstufenschüler nahm erheblich zu.
Heute wird auf verschiedenen Ebenen mit komplexer innerer und äußerer Differenzierung gearbeitet:
Das Angebot umfasst Lehr- und Förderpläne für Grund- und Hauptschule, Lehr- und Förderpläne für lernbehinderte Schüler und ein spezielles Angebot durch handlungs- und projektorientierte Arbeit in den HPA-Klassen der Schule. Die Schule wandelt sich ständig, inhaltlich und baulich. Neue Erkenntnisse fordern neue Strukturen und neue Mittel. Wir bemühen uns um die Umsetzung.
2002 übernahm Michael Brockmeier die Leitung der Schule, sein Stellvertreter war bis zum August 2008 Hartmut Peter.
Neuer stellv. Schulleiter ist seitdem Michael Dorau.